logo

Die Stahlstiftung ist bereits ein Stück Industriegeschichte

Autor: Ernst Koglgruber

1987, das Gründungsjahr der Stahlstiftung

Ab 1987 gibt es bei der Voest drei Sparten: Stahl-, Final- und die Industrieanlagen GmbH. Die steirischen Werke Donawitz und Kindberg werden in die VA-Stahl eingebracht. Fest steht für die Verantwortlichen, dass der Personalstand zu hoch ist für diese neu geschaffenen Einheiten. Der ÖIAG-Gernaldirektor Sekyra versucht bei Auftritten vor der Belegschaft die Notwendigkeit dieser Maßnahme zu erklären. So etwa auch in Kapfenberg, wo er vor der Belegschaft die Aussage tätigte: »Wir sind pleite! Verstehen Sie doch! Wir sind pleite! « (Kriechbaumer, 2006, S.239). Es musste also eine Lösung für den massiven Abbau von Mitarbeitern gesucht werden. Manager und Betriebsräte arbeiteten an einem Konzept, um den Mitarbeiterabbau für beide Seiten einigermaßen erträglich zu gestalten. Der Soziologe Otto Nigsch fasst diese Zeit wie folgt zusammen: »Die Gründungsphase der Stahlstiftung markiert den Beginn eines heftigen Ringens um neue Formen der Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft«. (Nigsch,2000).

Im Saarland, wo die Hütten auch vor dem gleichen Problem standen, gab es seit Jahresbeginn bereits eine Stiftung, von der sich die Voest-Alpine inspirieren ließ: »Im Sommer 1987 gab es jedoch Kontakte mit der Dillinger Hütte im deutschen Saarland, dort gab es eine 'Stahlstiftung'«. (Stahlstiftung, 2017). Nur das im Saarland praktizierte Modell unterschied sich dann doch wesentlich von dem von der Voest ins Auge gefassten Modell. Im Saarland versuchte man die in der Stiftung befindlichen Menschen bei Bedarf auf andere in der Region befindliche Stahlwerke wie auch in öffentlich geförderte Beschäftigungsprojekte zu vermitteln. Und im hohen Ausmaß diente sie auch als Warteschleife bis zur vorzeitigen Pensionierung. Die Voest orientierte sich am amerikanischen Modell des Outplacements. Hier steht die »Hilfe zur Selbsthilfe« im Vordergrund, oder wie es in ihren Leitlinien heißt: »Teilnehmer sollen im Rahmen der Stahlstiftung ihre Qualifikation steigern, ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessern bzw. den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben schaffen«. (Stahlstiftung, 2017).

voest Standort Linz
Standort Linz. © voestalpine.
Die Gretchenfrage war neben der genauen Ausgestaltung natürlich die Finanzierung. Im Frühjahr sickerte auch durch, dass der Mitarbeiterabbau in den nächsten Jahren noch größer ausfallen wird als geplant. Im Mai war in der Betriebszeitung zu lesen: »Bis 1990 sollen um 1400 Mitarbeiter mehr als die ursprünglich im Konzept VOEST-ALPINE NEU vorgesehenen 9400 abgebaut werden, die meisten davon in Linz«. (Betriebszeitung, 1987, S.10). In der Presse, und somit in der Öffentlichkeit, ist von den Stiftungsplänen bis zu diesem Zeitpunkt kaum etwas zu vernehmen. Ob es an der im April stattgefundenen Reaktorkatastrophe in Tschernobyl oder an der Pressearbeit des Unternehmens liegt, lässt sich heute nur mehr schwer feststellen. Im Sommer sickert über die Medien der Plan einer Stiftung langsam an die Öffentlichkeit. So titelte etwa die Tageszeitung „Die Presse“: »Neue Sozialpläne stoßen auf finanzielle Hürden«. (Freisinger, 1987). Im Sommer bis in den Herbst hinein war zwar das Thema Stiftung weitgehend außer Streit gestellt, denn man wollte soziale Unruhen auf jeden Fall vermeiden, allerdings war man sich nicht einig, wie diese Stiftung finanziert werden sollte. Es war ja beabsichtigt, den Freigesetzen, als den künftigen Stiftlingen, die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 80 bis 85 Prozent ihres letzten Nettolohnes zu bezahlen. Auch war geplant, bei der öffentlichen Hand die sprichwörtliche Hand um eine finanzielle Beteiligung aufzuhalten. Auch in der Arbeitnehmervertretung war dieses Modell umstritten. Zum einen lehnten sie den vom Vorstand unterbreiteten Vorschlag ab, einen Teil der ausgehandelten Lohnerhöhung zur Dotierung der Stiftung zu verwenden und wollten eine Zustimmung mit einer Zusage eines Kündigungsstopps junktimieren. Dieser Solidaritätszuschlag wurde besonders vom ÖAAB abgelehnt, die SP-Fraktion plädierte für einen auf freiwilliger Basis. Generell wurde befürchtet, dass so eine Stiftung einen Freibrief für Kündigungen darstellen könnte. Zum anderen wurde – insbesondere vom ÖAAB – eine Zweiklassengesellschaft bei den Arbeitslosen befürchtet, eben in Privilegierte, die in einer solchen Stiftung sind, und denen außerhalb.

Josef Ratzenböck
LH Josef Ratzenböck. © ooevp
Im Oktober 1987 berichteten die "Oberösterreichischen Nachrichten" in ihrem Bericht über das beschlossene Budget für 1988: »Die Landesregierung bekundete die grundsätzliche Bereitschaft, der Stahlstiftung unterstützend unter die Arme zu greifen, wenn das Projekt konkret vorliegt«. (OÖN, 1987, S. 2). Sie weisen allerdings auch darauf hin, dass der SP-LH-Stellvertreter noch eine Reserviertheit bei der VP ortet. Mit dieser Reserviertheit lag SP-Parteichef Grüner richtig, denn wenig später lehnte Landeshauptmann Ratzenböck eine solche Beteiligung des Landes mit dem bereits vom ÖAAB vorgebrachten Argument einer Zweiklassengesellschaft unter den Arbeitslosen ab, wie die Kronen Zeitung vermeldete. (Kronen Zeitung, 1987, S.3). Die Werkszeitung berichtet in ihrer Novemberausgabe unter dem Titel »Ernst der Lage verlangt Solidarität«, dass am 22. Oktober im Anschluss an die Betriebsversammlung der Angestellten eine Umfrage zum Solidaritätsbeitrag unter 550 Angestellten durchgeführt wurde. »Davon enthielten 399 oder 72,5 Prozent die Bereitschaft, einen Solidaritätsbeitrag bis zu 1 Prozent des Bruttolohns zu leisten«. (Betriebszeitung, 1987, S.3).