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Franck in Linz

Geschichte eines Familienunternehmens

Autor: Roman Sandgruber

Franck im Ersten Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg bedeutete für große Vermögen und Einkommen einen schweren Einbruch. Für Franck brachte er ein wirtschaftliches und familiäres Wechselbad. An der Front bangte man um eine Reihe von Familienangehörigen, im Hinterland profitierte man vordergründig von den schlechten Zeiten und dem dramatisch steigenden Bedarf an Ersatzkaffe, konnte diesen Bedarf aber aufgrund fehlender Rohstoffe für die Ersatzmittel gar nicht mehr decken.

Es gab eine starke militärische Tradition im Hause Franck. Schon der Firmengründer Heinrich Franck war durch seine Soldatenzeit tief geprägt. Die Söhne und Schwiegersöhne erwarben militärische Dienstgrade oder kamen aus dem Berufssoldatentum. Mit überraschender Schnelligkeit schlug die volle Grausamkeit des Krieges zu: Carl Francks Schwiegersohn Hermann Heuss fiel bereits in den ersten Kriegstagen: Das junge Paar hatte 1910 geheiratet. Margarethe Emma Pauline Franck wurde bereits in den ersten Kriegstagen zur Witwe. Der Hauptmann Hermann Heuss war am 1. September 1914 im Alter von 41 Jahren gefallen. Sein Schwager, der 19jährige Karl Heinrich Franck, fiel in einem der letzten schweren Kämpfe des Krieges am 10. September 1918 am Monte Asolone einer Fliegerbombe zum Opfer. Auch Gustav Fischer (1896-1915), ein Enkel von Gustav Heinrich Franck, war 1915 gefallen, ebenso Wilhelm Stein, ein Enkel Wilhelm Francks 1916. Andere machten die ganze Tortur des Krieges mit, von den ersten Schlachten an der Westfront bis zum bitteren Ende im Herbst 1918.

die flandrische Madonna
Die Marienstatue, die Hugo Breyer von der flandrischen Front mitbrachte, ist heute noch in Familienbesitz.

Der Berufsoffizier Hugo Breyer (1873-1959), Sohn des Generalmajors Theodor von Breyer, war seit 1901 mit Elisabeth Franck verheiratet. Er hatte 1892 sein Offiziersexamen bestanden und es bis 1913 bereits bis zum Major gebracht. 1914 war er erster Adjutant der 54. Reserve-Division an der Westfront in Flandern und 1916 Kommandant des Feldartillerieregiments König Karl an der Somme. fernab von seiner Gattin, die am Heiligen Abend 1916 im Alter von nur 37 Jahren bei der Geburt des fünften Kindes verstarb. 1917 wurde er krankheitshalber zu den Offizieren der Armee versetzt und 1918 als Abteilungsleiter im stellvertretenden Generalkommando XIII. Armeekorps mit der Vorbereitung der Demobilmachung des württembergischen Heeres betraut. 1920 war er mit vielen Auszeichnungen als Oberst aus dem Heer ausgeschieden und pensioniert.[35] [Pfundner, Thomas, v. Wistinghausen, Henning, 68 f. ]
Eine halb verbrannte Marienstatue, die er von der flandrischen Front mitbrachte, ist heute noch in Familienbesitz. Auch Eberhard von Sick, Schwiegersohn von Carl Franck, war Berufsoffizier. Als Sohn des späteren Generals der Kavallerie Alfred von Sick, Flügeladjutant des Königs Karl von Württemberg, war er nach der Absolvierung des Kadettenkorps in das 2. Württembergische Ulanenregiment König Wilhelm I. eingetreten, wo er 1903 zum Leutnant befördert wurde. 1908 meldete sich Sick zur Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika. 1913 war er, inzwischen zum Oberleutnant befördert, aus der Schutztruppe ausgeschieden. Er wurde als ein "vortrefflicher, für den afrikanischen Dienst ganz besonders geeigneter Offizier" beurteilt, dessen Ausscheiden der Kommandeur der Schutztruppe lebhaft bedauerte. Nach einer fünfmonatigen Weltreise trat er im Oktober 1913 wieder in sein altes Regiment, das Ulanenregiment Nr. 20 in Ludwigsburg, ein. Als Führer der 4. Eskadron seines Regiments rückte er 1914 ins Feld und war in Frankreich, Flandern, Polen und Serbien im Einsatz. 1917 heiratete er Else Franck. Seit 1918 führte er ein Bataillon des Landwehr-Infanterie-Regiments 120 in den Argonnen. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Eisernen Kreuz zweiter und erster Klasse und dem Ritterkreuz mit Schwertern des Hausordens von Hohenzollern. Nach dem Krieg begann er ein Landwirtschaftsstudium und widmete sich der Bewirtschaftung des Franckschen Hummelhofs in Linz.

Richard Franck legte eine Weltkriegssammlung an mit Broschüren, Fotografien, politischen Veröffentlichungen u. v. m.
Richard Franck legte eine Weltkriegssammlung an mit Broschüren, Fotografien, politischen Veröffentlichungen u. v. m.
Richard Franck, der mit Bruder und Cousin die Firma führte, hielt aus seiner Erfahrung mit Werbung und Reklame das Kriegs-Marketing des Reichspresseamtes und der Reichsbank für unprofessionell und den gegnerischen Staaten unterlegen. Deutschland sei in diesem Feld deutlich ins Hintertreffen geraten, war sein Eindruck. Franck war überzeugt, dass der Krieg nicht mehr nur ein Krieg der Schwerter, sondern auch einer der Worte war und die Plakate für Kriegsanleihen und sonstige Aktivitäten emotionaler gestaltet werden müssten. 1915 fasste er daher den Entschluss, eine „Weltkriegssammlung“ oder „Weltkriegsbücherei“ anzulegen und veröffentlichte im November 1915 einen entsprechenden Sammelaufruf. Er bat die Mitarbeiter seiner Firma, Folgendes zu sammeln: „Die überaus reichhaltige deutsche Kriegsliteratur, alle tonangebenden deutschen Zeitungen und Zeitschriften, die während der Dauer des Krieges erscheinen, Kriegschroniken, Witzblätter in Kriegsausgaben, alle tonangebenden ausländischen Blätter und Zeitschriften, die kaum übersehbare Menge der Kriegsbroschüren, die vielen gedruckten Kriegsvorträge usw. Ferner alle politischen Veröffentlichungen, politische Aktenbücher, Zeitungsausschnittbücher, Kriegsdichtungen, Feldpostbriefsammlungen, Kriegsbilderwerke, Ansichten und Photographien von den Kriegsschauplätzen, ostpreußische Plakate aus der Russenzeit, hektographierte Schützengrabenzeitungen, Soldatenkunst aus dem Felde, Kriegsandenken aus dem Schützengraben, Handarbeiten aus Gefangenenlagern, Fliegerzettel, Kriegsbanknoten in besetzten Gebieten, Maueranschläge feindlicher Staaten, Maueranschläge in deutschen Städten, Beschlagnahmeankündigungen usw., Kriegsplakate, deutsche und ausländische Kriegskarikaturen.“[36] [http://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibliothek-fuer-zeitgeschichte/bestand/geschichte-der-bfz/; Susanne Brandt, Kriegssammlungen im Ersten Weltkrieg: http://www.erster-weltkrieg.clio-online.de/_Rainbow/documents/keiner%20f%C3%BChlt%20sich%202/brandt.pdf. ]

Franck richtete nicht nur in den verbündeten und den neutralen Staaten, sondern auch im feindlichen Ausland eigene Sammelstellen ein. Das Material aus den Feindstaaten gelangte teils über neutrale Länder nach Deutschland, teils wurde es dort bis Kriegsende aufbewahrt und dann überstellt. Besondere Aufmerksamkeit wurde auf Dokumente und Erinnerungsstücke von Franck-Mitarbeitern an der Front gelegt. Briefe und sonstige Nachrichten wurden als wöchentliche Mitteilungen der Kollegen an der Front firmenintern veröffentlicht. Mehr als 20 Mitarbeiter seiner Firma waren mit dem Inventarisieren und Ordnen der wöchentlich nahezu 1.000 eingehenden Objekte beschäftigt. Bereits 1917 war die Sammlung so umfangreich geworden, dass sie vier Wohnungen eines Berliner Hauses füllte. Richard Franck sammelte überall, auch in den USA. 1920 umfasste die Sammlung 45.000 Bücher und Druckschriften, 2.150 in- und ausländische Zeitungen und mehr als 5.000 Zeitschriften in ihren Kriegsjahrgängen, 20.000 Flugblätter und Maueranschläge, 15.000 Plakate, und zahlreiche Karten, Fotos, Briefe und Tagebücher. Allein aus den USA wurden nach dem Krieg 1 ½ Eisenbahnwaggons Material angeliefert. Die Sammeltätigkeit war sehr professionell: gesammelt wurde alles, ohne Unterschied der Parteiung oder der ästhetischen oder inhaltlichen Qualität. Die Bewertung sollte einer späteren Wissenschaft überlassen bleiben. „Darum ist uns der Hurrahkitsch genauso willkommen wie die Arbeiten unserer Besten, die Stimmen der Alldeutschen wie der aus dem Lager der äußersten Linken.“ 1921 übersiedelte die Weltkriegsbücherei in das von der württembergischen Regierung zur Verfügung gestellte Schloss Rosenstein (heute Staatliches Museum für Naturkunde) in Stuttgart. 1921 als Weltkriegsbücherei in Stuttgart offiziell eröffnet, sicherte Richard Franck 1928 die weitere Existenz der Bibliothek durch die Gründung einer eigenen Stiftung. 1939 war sie bereits auf 100.000 Bände angewachsen und so zur bedeutendsten Spezialbibliothek Deutschlands für alle Fragen der politischen und militärischen Geschichte des 20. Jahrhunderts geworden. Im September 1944 wurde die Bibliothek (mit Sitz im Schloss Rosenstein) bei einem alliierten Luftangriff nahezu völlig zerstört. Glücklicher Weise waren die wichtigsten Bestände ausgelagert. Die Umbenennung der ehemaligen Weltkriegsbücherei in Bibliothek für Zeitgeschichte erfolgte 1948. Ab 1972 fand die Bibliothek neue Arbeits- und Archivräume in der Württembergischen Landesbibliothek. Trägerin der Bibliothek war bis 1999 die privatrechtliche Stiftung Bibliothek für Zeitgeschichte. Seit 2000 ist die BfZ institutionell in die Landesbibliothek integriert. Der Sammlungsschwerpunkt der Bibliothek liegt auf der Geschichte der Kriege, besonders der beiden Weltkriege, sowie der Bürgerkriege, der Geschichte der Genozide und des staatlichen Terrors, der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Friedens- und Konfliktforschung. Der Sammlungsbestand umfasst derzeit 380.000 Bände und 415 Zeitschriftenabonnements und ist damit eine der größten Spezialbibliotheken für Zeitgeschichte in Europa.

Franck Weihnachtsnummer, 1915.
Franck Weihnachtsnummer, 1915.
Richard Franck, der Ludwigsburg seine wertvolle Grafiksammlung vermachte und zu Lebzeiten die Bevölkerung vielfältig unterstützt hat, ist Ehrenbürger der Stadt Ludwigsburg. Ein moralisches Urteil über ihn, der 1923 auch Hitler mit einem Kredit unterstützt hatte, sich rasch aber von ihm wegen dessen antisemitischer Hetze wieder abwandte, wollten die Gestalter einer 2014 in Ludwigsburg dazu eingerichteten Ausstellung nicht fällen, gehört doch die Weltkriegsbücherei zu einer der bedeutendsten Sammlungen überhaupt. Gerade in wissenschaftlicher Hinsicht sei sie interessant. Stuttgart verdankt seine erste Professur in Geschichte der Franckschen Bücherei.[37] [Ludwigsburger Kreiszeitung, 25. Mai 2014. ]

Schlechte Zeiten begünstigen das Kaffeemittel-Geschäft und Ersatzmittel-Geschäft generell. Die Kriegs- und Krisenzeiten waren für Franck daher keine „schlechten“ Zeiten. Auch die Internationalisierung, die Franck schon vor dem Ersten Weltkrieg eingeleitet hatte, verminderte Risikopotentiale. Die INGA als Schweizer Holding erwies sich diesbezüglich als Glücksfall, weil sie nicht nur über die Hyperinflationen nach dem Krieg hinweghalf, sondern auch die Koordination in dem zerfallenden großen Wirtschaftsgebiet der Habsburgermonarchie erleichterte.

In Krieg und Wirtschaftskrise boomte der Kaffeeersatz: Man warb mit Kriegern, die ihre Kraft aus dem Kaffeeersatz bezogen: „Von Firma Franck / ein Göttertrank / Drum Heil und Sieg! Und Kriegers Dank!“, reimte man im Ersten Weltkrieg. Und man warb mit einer Franck‘schen Kaffeemühle, die einer Kanone gleich Ersatzkaffeepackungen nach allen Richtungen verschoss.

Im Ersten Weltkrieg warb man mit Kriegern, die ihre Kraft aus dem Kaffeeersatz bezogen.
Im Ersten Weltkrieg warb man mit Kriegern, die ihre Kraft aus dem Kaffeeersatz bezogen.

Es gab praktisch keinen Bohnenkaffee mehr. Der Erste Weltkrieg brachte vorerst einen deutlichen Anstieg des Verbrauches von Ersatzprodukten. Aber es gab bald auch keine Ausgangsprodukte mehr für guten Ersatzkaffee. Der Krieg führte zu einer strengen Getreidebewirtschaftung. Für die Kaffeeerzeugung wurde kein Getreide mehr zugeteilt. Veränderte Ersatzkaffeesorten, in denen kein Getreide mehr enthalten war, wurden unter den vielsagenden Marken „Soso“ und „Krika“ auf den Markt gebracht. Doch der Kaffeemittelsektor war kriegswichtig. Produziert wurde Ersatz vom Ersatz.

Die Bewirtschaftung bekam man bereits nach der Ernte des Jahres 1914 zu spüren, ab der die Getreidezuteilung bereits durch die neu geschaffene „Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt“ geregelt werden musste. Ab 1916 gab es auch eine Kaffeezentrale. Die Versorgung mit Feigenkaffee war ohnehin nicht mehr möglich. Dafür fehlten ausreichend Feigen. Titze hatte 1914 rund 2.000 t Feigenkaffee erzeugt, im Jahr 1918 aber 4.000 t Kriegskaffee. Aber auch Zichorien gab es zu wenig. In Linz wurden nur mehr die Militär-Kaffeekonserven aus Zichorie hergestellt. Das vom Ernährungsamt für die Zivilbevölkerung vorgeschriebene Mischprodukt erhielt die Bezeichnung Kriegskaffee, kurz „Krika“ genannt. Auch Kaffeemittel konnten von der Zivilbevölkerung in Linz ab 1. Juni 1918 nur noch mittels einer Kaffee-Karte in ganz geringen Mengen bezogen werden.

[35] Pfundner, Thomas, v. Wistinghausen, Henning, 68 f.
[36] http://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibliothek-fuer-zeitgeschichte/bestand/geschichte-der-bfz/; Susanne Brandt, Kriegssammlungen im Ersten Weltkrieg: http://www.erster-weltkrieg.clio-online.de/_Rainbow/documents/keiner%20f%C3%BChlt%20sich%202/brandt.pdf.
[37] Ludwigsburger Kreiszeitung, 25. Mai 2014.